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Brandon90

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Interessiert an kollektiven und selbstorganisierten Ideen von Gesellschaft und Praxis.

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Thomas Galli: Weggesperrt (2020, Edition Körber-Stiftung) 5 stars

Wann nützen Gefängnisse und wo richten sie Schaden an? Der Rechtsanwalt und ehemalige Gefängnisdirektor Thomas …

Unser Strafrecht schützt also letztlich vor allem diejenigen, die über Eigentum und Vermögen verfügen oder zumindest die Möglichkeit haben, dieses innerhalb der Regeln, d.h. auf legalem Wege, zu erarbeiten. [...]  Unser Strafrecht dient also auch dazu, unser kapitalistisches Wirtschaftssystem möglichst reibungslos am laufen zu halten. [...] Die Ungerechtigkeit im Kapitalismus besteht darin, das Kapital einerseits ohne jede Leistung oder gesellschaftsfördernde Weise erworben und eingesetzt werden kann und andererseits Ungleichheit fördert, die nicht selten von Generation zu Generation wächst. [...] Es ist eben gerade die Logik des Kapitalismus, dass es nur Gewinner geben kann, wenn es auch Verlierer gibt.  Soziale Ungleichgewichte sind also Voraussetzung dafür, dass das System überhaupt funktioniert. Belohnt wird daher vor allem kurzfristiges Handeln.

Weggesperrt by  (Page 206 - 208)

Und natürlich kommt Thomas Galli nicht darum herum zu meinen, dass Sozialismus auch nicht die Lösung wäre, denn "[...] besteht im Sozialismus die Ungerechtigkeit darin, dass Können und Leistung nicht belohnt werden. [...]" - Was für ein Schmarn...als würde im Sozialismus alles gleichgeschaltet sein...

Thomas Galli: Weggesperrt (2020, Edition Körber-Stiftung) 5 stars

Wann nützen Gefängnisse und wo richten sie Schaden an? Der Rechtsanwalt und ehemalige Gefängnisdirektor Thomas …

Auch die Ideen einer "Transformative Justice" werden hierzulande immer häufiger vertreten. Dieses Konzept betrachtet die Verantwortung für Gewalt nicht als eine individuelle, sondern als eine kollektive Aufgabe. Einer gewaltausübenden Person sollen Möglichkeiten zur Verhaltensänderung angeboten werden, anstatt sie zu bestrafen und aus der Gesellschaft auszustoßen. Gleichzeitig soll das Umfeld des Opfers mobilisiert werden, um die von Gewalt betroffene Personen zu unterstützen. Straftaten sollen als Ausdruck sozialen Wandels verstanden werden, weshalb es nicht nur um die (gerade bei schwersten Straftaten) kaum mögliche Wiederherstellung dysfunktionaler Verhältnisse gehen kann, sondern im Sinne einer Transformation um einen Anstoß zur Schaffung einer inklusiveren, gerechteren Gemeinschaft.

Weggesperrt by  (Page 203)

Thomas Galli: Weggesperrt (2020, Edition Körber-Stiftung) 5 stars

Wann nützen Gefängnisse und wo richten sie Schaden an? Der Rechtsanwalt und ehemalige Gefängnisdirektor Thomas …

Strafrechtlich gesehen nimmt die Schuld den Täter in die Verantwortung für seine Tat. Schuld steht für die Moralische Last Infolge eines Fehlverhaltens, während Verantwortung die (Selbst-)Verpflichtung für eine Sache oder Person beschreibt. Auch strafrechtlich sollte es nicht mehr vor allem darum gehen, dass jemand büßt, indem er leidet, sondern dass er büßt, indem er den von ihm verursachten Schaden möglichst wiedergutmacht. Das Prinzip der Verantwortung wäre, anders als das Prinzip der Schuld, im Umgang mit Kriminalität ein gerechtere Mittel. Wenn wir jene, die Regeln brechen und anderen Schaden zufügen, in die Verantwortung nehmen, wirken wir stärker präventiv auf das Verhalten Einzelner als mit der Androhung einer Haftstrafe. Der Begriff der Schuld impliziert eine Exklusivität, die nicht existiert. Überträgt man einer Person die Schuld, müssen andere, für die Tat womöglich Mitverantwortliche diese Verantwortung nicht tragen. So ist der eine schuldig, die anderen bleiben unschuldig. Damit lassen wir all jene sozialen Ursachen oder Verursacher außer Acht, die in den meisten Fällen zu der Entscheidung des Täters beitrugen. [...] Schließlich müssen wir uns bewusst machen, dass Staat und staatliches Handeln nicht nur Ausdruck, sondern immer auch Vorbild für seine Bürgerinnen und Bürger ist. Ein Staat, der rächt - wenn wir Vergeltung als reglementierte Form von Rache begreifen - und der in Form des Strafvollzuges in Institutionalisierter Form systematisch, geplant und scheinbar rational begründet Leid zufügt, zeigt seinen Bürgerinnen und Bürgern: Zu rächen und Leid zuzufügen ist sinnvoll. Es kann vernünftig, gut und notwendig sein. Das hat unweigerlich folgen für uns alle. Wenn der Staat erwachsene Menschen bestraft und ihnen durch das Einsperren letztlich körperliche Gewalt zufügt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie diese Gewalterfahrung zum Beispiel an ihre Kinder weitergeben. Kinder, die gewaltfrei aufwachsen, werden dagegen selbst weniger gewalttätig. So identifizierte eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen den Rückgang des Einsatzes elterlicher Gewalt in der Erziehung in den vergangenen Jahrzehnten als eine der wesentlichen Ursachen für den Rückgang der Jugendkriminalität.

Weggesperrt by  (Page 170 - 173)

Nochmal bestärkend in der Idee vielleicht Konzepte wie Transformative Gerechtigkeit eher in den Fokus zu nehmen.

Thomas Galli: Weggesperrt (2020, Edition Körber-Stiftung) 5 stars

Wann nützen Gefängnisse und wo richten sie Schaden an? Der Rechtsanwalt und ehemalige Gefängnisdirektor Thomas …

In unserem Schuldstrafrecht zeigt sich ein kollektiver Effekt, der individualpsychologisch nachvollziehbar ist: Die Gründe für unser eigenes Verhalten verorten wir mit Vorliebe außerhalb von uns selbst, zumindest wenn es sich um ein negativ Konnotierte, aggressive Verhaltensweisen handelt. Auch die Ursache von Misserfolgen suchen wir meist nicht in uns selbst , sondern in äußeren Bedingungen. Bei anderen Menschen dagegen neigen wir dazu, die Ursachen für negatives Verhalten weniger in den äußeren Umständen, sondern eher in ihrer Persönlichkeit oder eben in ihrer individuellen Entscheidung zu sehen.

Weggesperrt by  (Page 167 - 168)

Thomas Galli: Weggesperrt (2020, Edition Körber-Stiftung) 5 stars

Wann nützen Gefängnisse und wo richten sie Schaden an? Der Rechtsanwalt und ehemalige Gefängnisdirektor Thomas …

In vielen Fällen wirkt das Stigma als "Ex-Knacki" noch stärker als das der Straftaten an sich. Das hat nicht nur die mehr oder weniger starke Ächtung in vielen Kreisen unserer Gesellschaft zur Folge, sondern insbesondere auch deutlich schlechtere Chancen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt. [...] Das Ein- und Wegsperren vermittelt uns sehr eindringlich, dass es sich wohl um einen gefährlichen und bösen Menschen handelt, der zumindest für eine bestimmte Zeit nicht mehr unter uns leben darf. [...] Während mit der Entlassung die Angelegenheit strafrechtlich weitestgehend erledigt ist, entstehen mit ihr jedoch ganz neue Probleme. Aus der Haft Entlassene sind nicht grundsätzlich "schlechter" als zuvor. Sie haben jedoch oft noch größere Probleme, noch größere Aggressionen, noch weniger Ressourcen, auf die sie zurückgreifen können, und noch weniger Chancen als vor ihrer Haft. [...] Die Realität mach daher deutlich, dass all diese Folgen des Freiheitsentzugs nicht nur den Straftätern schaden - wir schaden uns damit letztlich selbst. Wir müssen daher Wege finden, Straftätern nicht nachhaltig zu schaden und sie als grundsätzlich gleichberechtigte Gesellschaftsmitglieder wieder in unsere Mitte aufzunehmen. Dabei kann es nicht allein darum gehen, die Freiheitsstrafe in Gefängnissen durch andere, möglicherweise ebenso schädliche Strafformen zu ersetzen. Wir müssen nicht nur die Vergeltung, sondern auch die Schuld als wesentlichen Bestandteil unseres Strafrechts überdenken.

Weggesperrt by  (Page 155 - 156)

Thomas Galli: Weggesperrt (2020, Edition Körber-Stiftung) 5 stars

Wann nützen Gefängnisse und wo richten sie Schaden an? Der Rechtsanwalt und ehemalige Gefängnisdirektor Thomas …

Eine meiner Mandantinnen wurde wegen Untreue zu einer fast dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Sie hatte als Prokuristin ihre Firma im Laufe einiger Jahre um mehrere 100 000 Euro geschädigt, die sie dazu verwendet hatte, den gehobenen Lebensstil ihres Lebensgefährten zu finanzieren. [...] Genutzt hat es ihr nichts, er trennte sich dennoch von ihr. Der Firmeninhaber, der als Zeuge vor Gericht aussagte, wünschte sich ausdrücklich, dass die Buchhalterin nicht eingesperrt würde, sondern arbeiten dürfe und so in den kommenden Jahren den Schaden begleichen könnte. Geholfen hat dies nicht, angesichts der Schadenshöhe kam das Gericht um eine Freiheitsstrafe nicht herum. Das war insbesondere deshalb fatal, weil die Buchhalterin inzwischen mit einem anderen Mann verheiratet und schwanger war. So wurde ihre Tochter im Gefängnis geboren. [...] Vor allem aber war es fast unmöglich, eine Vater-Kind-Bindung aufzubauen, da der Ehemann der Inhaftierten sie und das Kind nur wenige Stunden im Monat besuchen durfte.

Weggesperrt by  (Page 135 - 136)

Was bringt es, wenn selbst die betroffene/n Person/en am Ende eigentlich einen anderen Wunsch haben, ein starres System aber den eigenen Stiefel durchzieht...hmpfh...

Thomas Galli: Weggesperrt (2020, Edition Körber-Stiftung) 5 stars

Wann nützen Gefängnisse und wo richten sie Schaden an? Der Rechtsanwalt und ehemalige Gefängnisdirektor Thomas …

Nicht nur die Angst, bei einem Verstoß selbst bestraft zu werden, sondern auch das Wissen, dass die meisten anderen Menschen solche Verstöße nicht begehen und die wenigen Abweichler bestraft werden, kann die Einhaltung von Normen vergrößern. Diese Bestrafung muss jedoch nicht notwendigerweise in Form eines Freiheitsentzuges erfolgen. [...] Es wird hier in der Regel nicht die formale Bestrafung, sondern eine symbolische Missbilligung der Tat, begleitet u.a. von einer Wiedergutmachung, erwartet. Eine solche Missbilligung könnte bereits durch einen Schuldspruch erfolgen, ohne dass an diesen eine Strafe geknüpft ist. Eine Wiedergutmachung ist nicht nur durch einen Ausgleich von Vermögensschäden oder etwa bei einer Körperverletzung durch eine Zahlung von Schmerzensgeld möglich. Betäubungsmitteltäter können Aufklärung in Kindergärten und Schulen leisten, Steuersünder gemeinnützige Arbeit.

Weggesperrt by  (Page 113 - 114)

Thomas Galli: Weggesperrt (2020, Edition Körber-Stiftung) 5 stars

Wann nützen Gefängnisse und wo richten sie Schaden an? Der Rechtsanwalt und ehemalige Gefängnisdirektor Thomas …

Eine größere Bedeutung hat, zumindest bei Delikten minderer Schwere, das Entdeckungsrisiko. Den größten Beitrag, damit Menschen sich rechtstreu verhalten, leistet allerdings die moralische Verinnerlichung gesellschaftlich akzeptierter Werte und Normen. Wenn man sich selbst befragt, dann hat man sich wahrscheinlich noch nie oder äußerst selten dabei ertappt, etwas nur oder vor allem deshalb nicht getan zu haben, weil die Tat theoretisch in die Haft führen könnte. Wenn man einen anderen "am liebsten erwürgen" würde, dann unterlässt man dies meist nicht, weil man Angst vor dem Gefängnis hat, sondern weil man das moralische Gebot, niemanden körperlich zu verletzen oder gar zu töten, verinnerlicht hat. Man bringt es in der Regel nicht über sich, so etwas zu tun.

Weggesperrt by  (Page 108)

Auch spannend zu denken in Gesellschaften, welche ohne staatliches Gewaltmonopol auskommen sollten.

Thomas Galli: Weggesperrt (2020, Edition Körber-Stiftung) 5 stars

Wann nützen Gefängnisse und wo richten sie Schaden an? Der Rechtsanwalt und ehemalige Gefängnisdirektor Thomas …

Wissenschaftlich erforscht wird etwa die abschreckende Wirkung der Todesstrafe in den USA. Hierbei lassen sich zum Beispiel die Daten von Bundesstaaten, in denen es die Todesstrafe gibt, mit solchen vergleichen, in denen sie abgeschafft ist. Eine Metaanalyse kam zu dem Ergebnis, dass eine abschreckende Wirkung der Todesstrafe nicht überzeugend belegt werden kann. ⁸⁵ Es scheint vielmehr plausibel, dass die Todesstrafe zur allgemeinen Verrohung beiträgt. Wenn der Staat offiziell Menschen zur Strafe tötet, zeigt er seinen Bürgern, dass das Leben Eienzelner keinen absoluten Schutz genießt, die Tötung anderer ist kein Tabu. Vielmehr wird vermittelt, dass sich mit solch einer Tötung irgendetwas Sinnvolles erreichen lässt. [...] ⁸⁵ Vgl. die Dissertation "Die Abschreckungswirkung der Todesstrafe - Eine quantitative Metaanalyse" von Christian Folter an der Universität Heidelberg

Weggesperrt by  (Page 107 - 108)

Dieter Kafitz: Johannes Schlaf - Weltanschauliche Totalität und Wirklichkeitsblindheit (Deutsch language, De Gruyter) No rating

Die Reihe Studien zur deutschen Literatur präsentiert herausragende Untersuchungen zur deutschsprachigen Literatur von der Frühen …

Frühere Bekanntschaften wurden erneuert, neben naturreligiösen, monistischen und lebensreformerischen Vorstellungen der Friedrichshagener oder der Brüder Hart, die damlas gerade die Neue Gemeinschaft gegründet hatten, kam er mit dem thesophischen Gedankengut Rudolf Steiners in Berührung. Im ganzen hatte der Klub eine kulturkonservative Ausrichtung, für einige der Mitglieder konkretisierte sich die angestrebte geistige Erneuerung in den 30er Jahren im Dritten Reich. Zu ihnen gehörte z.B. der Berliner Architekt Rossius-Rhyn, dessen Landhäuser als "grunddeutsch" galten ⁴⁷ und der später Vorsitzender der Dietrich-Eckart-Gesellschaft wurde. Dietrich Eckart, der ideologische Wegbereiter und aktive Vorkämpfer des Nationalsozialismus, den Adolf Hitler im Schlußsatz von "Mein Kampf" als "der Besten einer" würdigte, die ihr Leben dem Erwachsen des deutschen Volkes widmeten, verkehrte selbst im Kreis der "Kommenden". ⁴⁸ In solcher Umgebung bereitete sich Schlafs spätere Annäherung an den Nationalsozialismus vor, zum wenigsten konnte seine schon in den frühen 90er Jahren durch die Lektüre von Julius Langbehns "Rembrandt als Erzieher" ⁴⁹ geprägte konservative, deutsch-völkische Einstellung hier eine Bestätigung finden.

Johannes Schlaf - Weltanschauliche Totalität und Wirklichkeitsblindheit by  (Studien zur deutschen Literatur, #120) (Page 21)

Dieter Kafitz: Johannes Schlaf - Weltanschauliche Totalität und Wirklichkeitsblindheit (Deutsch language, De Gruyter) No rating

Die Reihe Studien zur deutschen Literatur präsentiert herausragende Untersuchungen zur deutschsprachigen Literatur von der Frühen …

Als Schlaf im Mai 1898 vergeblich versuchte, sein neues Drama "Die Feindlichen" an einer Berliner Bühne unterzubringen, drohte neben dem finanziellen Desaster auch noch das Scheitern der literarischen Laufbahn, zu der er sich unter schweren inneren Konflikten durchgerungen hatte. In dieser Situation veröffentlichte er einen Zeitschriftenartikel, in dem die Verbitterung umschlug in übersteigerte Betonung der eigenen Leistung. Er behauptete, der eigentliche Schöpfer der naturalistischen Dramatik zu sein. "Man berücksichtige", schreibt er, ''ich bin, wie ich hier verrathen will, der Initiator unserer neuen dramatischen Richtung. Nicht nur die vorbereitenden Studien, die das neue Dram bereits in seiner ersten Entwicklung erhalten, wie die "Papierne Passion" und "Krumme Windgasse 20", stammen eigentlich und in erster Linie aus meiner Feder, sondern [...] ich muß mich auch als eigentlichen Autor der "Familie Selicke" bekennen.'' ³⁶ ³⁶ Vgl. Johannes Schlaf: Weshalb ich mein letztes Drama zerriß, 1898, S. 565

Johannes Schlaf - Weltanschauliche Totalität und Wirklichkeitsblindheit by  (Studien zur deutschen Literatur, #120) (Page 17 - 18)